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Das Schwitzen

Sascha Ballweg
Publiziert in Schwitzen: Allgemeines

Jeder Mensch schwitzt anders. Wann er schwitzt, wo und wieviel hängt von unzähligen Faktoren ab. Gängige Ursachen für verstärkte Schweißproduktion sind hohe Außentemperaturen und körperliche Anstrengung. Aber auch im Winter bei eisiger Kälte kann man schwitzen. Oder einfach beim Nichtstun. Manchen bricht der Schweiß bei Aufregung aus, andere wenn sie sich schämen, oft begleitet durch Erröten im Gesicht (Erythrophobie), wiederum andere kennen den kalten Angstschweiß nicht nur aus Erzählungen.Die Vielfältigkeit des Schwitzens zeigt: Jeder Mensch hat eine ganz individuelle Schweißproduktion,

die zudem von unendlich vielen äußeren Faktoren beeinflusst werden kann.

Wie stark der Körper schwitzt und wo ist individuell höchst unterschiedlich und hängt von sehr vielen Faktoren ab.

Steuerung des Schwitzens

Gesteuert wird das Schwitzen vegetativ, das heißt durch nervliche Impulse des vegetativen Nervensystems (siehe Abb. unten). Mit ihnen melden die Nervenrezeptoren innere und äußere Vorgänge (z.B. Temperaturänderungen) an das Gehirn. Dieses steuert die organische Reaktion darauf, so auch die Funktion der ekkrinen Schweißdrüsen. Schweißsekret wird abgesondert und der Körper dadurch gekühlt. Die automatische Körperfunktion des Schwitzens lässt sich willentlich nicht steuern oder verhindern [1]. Der Mensch kann sich lediglich durch Akklimatisierung an bestimmte Temperaturen gewöhnen oder durch Kleidung und Steuerung der Umgebungstemperatur (z.B. durch eine Klimaanlage) die Erhitzung des Körpers abmildern. Körperliche Fitness hat, im Gegensatz zur landläufigen Meinung, keinen reduzierenden Effekt auf das Schwitzen. Im Gegenteil: trainierte Menschen schwitzen sogar schneller und stärker als untrainerte.

Schweißausbrüche können allerdings auch andere, nicht-physikalische Ursachen haben. Wissenschaftler denken dabei an evolutionär bedingte Reaktionen des Körpers, z.B. wenn Hände bei Aufregung feucht werden. Dieses emotional ausgelöste Schwitzen ist ein Überbleibsel der Urzeit. Es diente einst bei plötzlicher Flucht auf Bäume oder Felsen der verbesserten Griffigkeit. Solche Reaktionen lassen sich ebenfalls nicht bewusst steuern, sie sind einfach mehr oder wenig stark "instinktiv"  in uns verankert.

[ABBILDUNG NERVENSYSTEM]

Auch wo man schwitzt lässt sich nicht beeinflussen. Die meisten Menschen schwitzen unter den Achseln, an den Händen und unter den Füßen ("Schweißfüße"). Prinzipiell kann der Schweiß aber überall dort auftreten, wo sich ekkrine Schweißdrüsen befinden, also am gesamten Körper.

Bei sehr starker Schweißproduktion kann es sich auch um krankhaftes bzw. krankeitsbedingtes Schwitzen handeln. Der Mediziner spricht dann von Hyperhidrosis.

Nervliche Steuerung des Schwitzens

Im Gegensatz zum willkürlichen Nervensystem, welches die Befehle des Großhirns direkt an die Muskeln weitergibt, um Bewegungen (z.B. Laufen, Greifen, Tasten) ausführen zu lassen, steuert das vegetative Nervensystem alle Körperfunktionen, die sich willentlich nicht beeinflussen lassen. Dazu zählen lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Herzschlag, Verdauung und auch das Schwitzen. Damit ist bei einer Reizung des vegetativen Nervensystems nicht zu einer Übersteigerung dieser Funktionen kommt, ist es in zwei gleichgewichtige Bereiche unterteilt: Der sympathische Teil stimuliert, der parasympathische Teil beruhigt.

Sympathikus:

  • stimulierend; reagiert auf Aufregung, Nervosität, Erregung, Angst, Schreck, Stress
  • organische Folgereaktionen: schneller Puls, erhöhter Blutdruck, Muskelzittern, gerötete Haut, Schweißausbrüche

Parasympathikus:

  • beruhigend und entspannend, hemmt die Stimulation
  • organische Folgereaktionen: Pulsverlangsamung, niedriger Blutdruck, Muskelrelaxion, Müdigkeit, verminderte Schweißproduktion

Die Befehle der Nervensysteme werden durch Botenstoffe (Neurotransmitter) an die Empfänger (Rezeptoren) übermittelt. Der Neurotransmitter des Parasympathikus ist Acetylcholin (prä- sowie postganglionär), der des Sympathikus ist postganglionär Noradrenalin. Doch ausgerechnet die Schweißdrüsen können nur Acetylcholine verarbeiten, d.h. sie können nur Befehle des sympathischen Nervensystems empfangen. Die Aktivität der Schweißdrüsen kann deshalb nur gesteigert, nicht aber reduziert werden [2]. Dies geschieht erst langsam, wenn sich das Acetylcholin an den Rezeptoren abbaut. Im Alltag bedeutet dies: Schon bei geringster emotionaler Erregung fangen wir an zu schwitzen. Menschen, bei denen der sympathische Teil des Nervensystems veranlagungsbedingt stärker ausgeprägt ist, haben hinsichtlich des Schwitzens schlechte Karten. Sie neigen grundsätzlich dazu, sich schneller aufzuregen und - man ahnt es - schneller zu schwitzen. Ein für Starkschwitzer typischer Teufelskreis beginnt, wenn latente Angst vor dem Schwitzen die Acetylcholinausschüttung erst recht befeuert. Die anschließende Verärgerung über Schweißflecken und Schweißgeruch erzeugen dann weiteres Schwitzen und so weiter ... Trotzdem besteht Hoffnung: Durch eine angepasste Lebensweise und gezielte Entspannungsübungen kann die Aktivität des Sympathikus "besänftigt" werden.



Negative Folgen des Schwitzens:

  • Dehydration (Wasser-/Elektrolytmangel): Durch starkes Schwitzen, z.B. während sportlicher Betätigung, verliert der Körper viel Wasser und Elektrolyte. Werden nicht genug Flüssigkeit und Elektrolyte ausgeglichen, drohen Schwindel, hoher Blutdruck, Ohnmacht, Sehstörungen, Kollaps und sogar Nierenschädigungen.Es ist unter Umständen schwer abzuschätzen, wieviel Flüssigkeit man während einer körperlichen Leistungsphase (z.B. während eines Marathons) verliert, da große Mengen Schweiß verdunsten oder durch die Kleidung aufgesogen werden. Um eine solche gefährliche Fehleinschätzung zu vermeiden, ist es sinnvoll die persönliche Schweißrate zu ermitteln.

  • Schweißgeruch: Das menschliche Schweißsekret der ekkrinen Schweißdrüsen ist an sich völlig geruchslos. Wird es jedoch durch die Bakterien der Hautoberfläche verstoffwechselt, so entstehen stark riechende Verbindungen (z.B. kurzkettige Fettmoleküle und Buttersäure), die wir als typischen Schweißgeruch wahrnehmen.

  • Aufgeweichte Wundhaut (Keratoma sulcatum): Hautbereiche, vom permanenten Schwitzen durchfeuchtet, werden weißlich, aufgequollen und wurmstichartig durchlöchert (deshalb engl. pitted Keratolysis) und erinnern laut Volksmund an die Haut von "Wasserleichen". Diese sogenannte Maceration tritt besonders bei Schweißfüßen und schwitzigen Händen auf (palmoplantare Hyperhidrose). Die Haut verliert durch das Aufquellen ihre Schutzfunktion, sodass Keime aller Art oder Papillomviren (siehe unten) leicht eindringen können. An den Füßen kann diese recht spotane Erkrankung schon innerhalb von 24 Stunden derartige Schmerzen verursachen, dass an Laufen nicht mehr zu denken ist. Schuld ist meistens das Tragen falscher Schuhe oder Stiefel. Besonders Soldaten sind davon betroffen: Im Korea- und Vietnamkrieg vielen durch Keratoma sulcatum ganze Kompanien aus.

  • Hautwolf (Tinea cruris): An stark beanspruchten schweißnassen Hautbereichen, die mangels Luftzufuhr kaum abtrocknen, bildet sich ein schmerzhafter Hautpilz, im Volksmund "Wolf" genannt. Dieser tritt am häufigsten in der Leistengegend, besonders bei Männern, auf.

  • Fußpilz (Tinea pedis): Bei ständigen Schweißfüßen und feuchten Socken herrschen auf der aufgeweichten Haut ideale Lebensbedingungen für diese unangenehme Pilzerkrankung, welche durch Kontaktinfektion (z.B. im Schwimmbad) übertragen wird. Fußpilz tritt meistens zwischen den Zehen auf (Interdigitalmykose) auf. Eine Studie an der Hautklinik der Charité Berlin mit 30 Fußpilz-Patienten und mit 51 Kontrollteilnehmern hat gezeigt, dass die Rate für Fußpilzinfektionen bei Schweißfußpatienten 3,5 mal höher ist als bei normalen Patienten. [3]

  • Dornwarzen (Verrucae plantaris): Diese, trichterartig nach innen wachsende Warzenart entsteht durch eine Kontaktinfektion mit humanen Papillomviren. Die zunächst einzelstehende "Sohlenwarze" kann sich auf schweißgetränkter Haut ideal "vermehren" (durch oberflächliche Streuung). So können pro Fußsohle leicht über 20 solcher Warzen auftreten. Nicht behandelte Dornwarzen können derart tief nach innen wachsen, dass sie schließlich die Knochenhaut (Periost) des Fußes erreichen und starke Schmerzen auslösen.

  • Andere Warzenarten: Ständiges Schwitzen kann auch an anderen Hautstellen die Entstehung von Warzen begünstigen: Berüchtigt sind vulgäre Warzen (Verrucae vulgaris, z.B. an den Händen), Feigwarzen(Condylomata acuminata) im Genitalbereich oder Dellwarzen (Molluscum contagiosum) bei Kindern.

  • Trichomykose (Trichobacteriosis palmellina): An stark schwitzenden Hautpartien werden die Haare von einer weißlich-gelben, manchmal auch rötlichen Schicht unkontrolliert vermehrter Korynebakterien umhüllt. Dies ist mit dem bloßen Auge sichtbar und somit kosmetisch störend. In den meisten Fällen besteht auch eine starke Geruchsentwicklung.

  • Ekzeme: Sogenannte Beugen- und Faltenexkzeme treten durch Reibung schweißnasser Hautstellen aneinander auf. Es bilden sich z.B. in den Armbeugen oder Kniekehlen kreiförmige, oft brennende oder juckende Rötungen. Eine andere Ekzemart bildet sich durch Kontaktreaktion mit enganliegenden Kleidungsstücken (z.B. Hutbänder, Gummizüge, bedruckte Textilien), insbesonders aber bei Kontakt mit metallischen Elementen, deren Legierungen durch Schweiß gelöst werden, bespielsweise bei Knöpfen, Jeansnieten, Schmuck, Uhren, Piercings.

  • Cholinergische Urtikaria (ugs. Hitzepickelchen; Hitzepöckchen): Der Botenstoff Acetylcholin aktiviert innerhalb des sympathischen Nervensystems die ekkrinen Schweißdrüsen. Bei einer kurzzeitigen, jedoch sehr starken Körpererwärmung (z.B. bei abrupter körperlicher Anstrengung: es reicht oft Treppensteigen) werden die Schweißdrüsen regelrecht mit Acetylcholinen überschüttet. Es kann zu einer spontanen allergischen Reaktion der Haut kommen. Im Bereich des Rumpfes, bzw. an Arm- und Beinflächen entstehen stecknadelkopfgroße, stark juckende Quaddeln. Reibung durch Kleidung auf der Haut verstärkt die Beschwerden noch weiter.

 

[1] Das Schwitzen wird durch das sympathische Nervensystem gesteuert, welches autonom vom Großhirn arbeitet, d.h. die Funktion der Schweißdrüsen lässt sich nicht willentlich steuern.
[2] Dies ist nur mit Medikamenten, sogenannten Anticholinergika möglich. Diese Präparate hemmen das Andocken der Botenstoffe an den Rezeptoren.
[3] Rzany B. et al, Charité Berlin (D); relevanter Artikel: "Wer Fußpilz hat, hat oft auch Schweißfüße", Ärzte Zeitung, 06/02/2005

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