Die endoskopische transthorakale Sympathektomie (ETS) ist ein operatives Verfahren zur Durchtrennung oder punktuellen Zerstörung der für das Hand- und Fußschwitzen zuständigen Sympathikus-Nervenstränge (Ganglien). Neben der endoskopischen Sympathikusblockade (ESB) gilt dieses Verfahren als ultima ratio bei der Hyperhidrosebehandlung.

Die ETS sollte erst dann in Betracht gezogen werden, wenn sämtliche konservative Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Neben den üblichen, wenn auch durch die Endoskopie reduzierten Risiken eines chirurgischen Eingriffs, gilt vielmehr der de facto schwerwiegende Eingriff in das vegetative Nervensystem des Körpers als problematisch. Die Blockade des Sympathikusnervs kann zwar im Idealfall eine hundertprozentige Schweißminderung bedeuten, ist jedoch ebenso oft mit vielfältigen, z.T. schwerwiegenden Nebenwirkungen verbunden (siehe unten).

Anwendungsbereiche bei primärer Hyperhidrose:

  • schwitzige Hände (Hyperhidrosis palmaris)
  • Schweißfüße (Hyperhidrosis plantaris)
  • Achselschwitzen (Hyperhidrosis axillaris)
  • Gesichts-/Kopfschwitzen (Hyperhidrosis facialis)

Die endoskopische transthorakale Sympathektomie eignet sich nicht zur Behandlung einer generalisierten Hyperhidrose (Hyperhidrosis generalis), da hierbei auch der Rumpf vom Schwitzen betroffen ist. Auf diesen Bereich hat die ETS jedoch kaum Einfluss. Kommt es nach der OP zu dem gefürchteten – und statistisch gesehen sehr wahrscheinlichen – kompensatorischen Schwitzen, würde sich das bereits vorhandene Schwitzen am Rumpf derart verstärken, dass der gesamte Eingriff als Misserfolg betrachtet werden müsste – jedenfalls aus Patientensicht.

Aus diesem Grund muss die Entscheidung, diese Operation durchführen zu lassen, immer eine wohlüberlegte sein, bei der alle Risiken und Nebenwirkungen mit den zu erwartenden Erfolgen in punkto Schweißreduzierung abzuwägen sind.

ETS: Operationsverfahren und -ablauf

Die endoskopische transthorakale Sympathektomie wird ausschließlich unter vollsterilen Bedingungen (Klinik-Standard) in Vollnarkose (ITN) durchgeführt. Aufgrund der endoskopischen Verfahrenstechnik (siehe unten) darf der Eingriff nur in spezialisierten Kliniken vorgenommen werden, die über eine entsprechende OP-Technik verfügen. Für den Eingriff ist ein stationärer Aufenthalt von durchschnittlich 3 bis 5 Tagen nötig.

✍ Wichtig: Da pro Eingriff immer nur eine Seite der Brust- bzw. der Lendenwirbel-Ganglien operiert wird, sind insgesamt 2 stationäre Klinikaufenthalte nötig.

❏ Verlauf der Sympathikus-Nervenstränge:
Der Sympathikus – als Teil des vegetativen Nervensystems – befördert Impulse („Befehle“) des Gehirns zu den ekkrinen Schweißdrüsen und löst so die Produktion von Schweißsekret aus. Eine gesteigerte Tätigkeit des sympathischen Nervensystems führt deshalb zwangsläufig zu stärkerem Schwitzen (siehe Psychische Ursachen des Schwitzens). Die verantwortlichen Nervenfasern haben ihren Ursprung in kleinen Anhäufungen von Nervenzellen, den sogenannten Ganglien, welche sich in Segmenten entlang der Wirbelsäule anordnen und als sympathischer Grenzstrang in etwa vom Hals bis zu den Lenden verlaufen.

Bei der ETS werden folgende Ganglien unterbrochen:

  • starker Handschweiß (Hyperhidrosis palmaris) = Ganglien in Höhe der Brusthöhle
    Eingriffsform: einseitige Thorakoskopie, von der Achselgrube ausgehend
  • starker Fußschweiß (Hyperhidrosis plantaris) = Ganglien in der Lendengegend
    Eingriffsform: einseitige lumbale Operation mittels Retroperitoneoskopie

Aus medizinisch nicht vollständig geklärten Gründen kann bereits die alleinige Operation der Ganglien im Brustraum einen positiven Einfluss auf das Schwitzen an den Füßen und im Gesicht haben. Bei einer plantaren Hyperhidrose ist allerdings meistens eine lumbale Sympathektomie (mittels Retroperitoneoskopie) nötig.

❏ Thorakoskopie – Ablauf einer ETS in der Brusthöhle:
Durch einen ca. 1 cm langen Hautschnitt in der Nähe der Achselhöhlen wird ein endoskopisches Kombinationsinstrument mit Mini-Kamera, chirurgischem Instrument und Lichtquelle zur „Spiegelung“ (Thorakoskopie) in die Brusthöhle des Patienten eingeführt. Viele Operateure bevorzugen jedoch eine Methode mit 3 kurze Schnitten, durch welche drei Einzelinstrumente eingeführt werden. Dies steigert die Flexibiliät im engen Brustraum. Zwecks Übersichtlichkeit wird bei beiden Methoden ein Lungenflügel kurzfristig entlüftet, welcher daraufhin zusammenfällt (herbeigeführte Atelektase). Ergänzend wird Kohlendioxid (CO2) in die Brusthöhle geleitet. Mit einem Tast-/Greifinstrument werden die für das Schwitzen zuständige Ganglien identifiziert und mittels Schnitt durchtrennt oder alternativ punktuell zerstört, wodurch der Transport von Nervenreizen unwiderruflich unterbrochen wird. Vor Verschluss der Brustwand durch Nähte, Klammern oder Hautkleber wird der Lungenflügel durch den Anästhesisten wieder vollständig belüftet.

❏ Retroperitoneoskopie – Ablauf einer ETS im Bereich der Lendenwirbel
Durch einen oder mehrere Schnitte im seitlichen Lendenbereich erfolgt der Zugang zum Etroperitoneum, einem schmalen Bereich der Bauchhöhle zwischen Lendenwirbel und Bauchfell (Peritoneum). Mittels Ballonkatheter oder durch Einleiten von CO2 wird der nötige Platz für weitere endoskopische Instrumente (siehe Thorakoskopie) geschaffen. Danach erfolgt wie bereits oben beschrieben die Durchtrennung/Zerstörung der entsprechenden Ganglien mit anschließender Wundversorgung.

❏ Chirurgische Verfahren der ETS

  • Elektro-Kauterisation: Zerstörung des Nerves mittels elektrisch erzeugter Hitze
  • Ultraschall-Skalpell: Durchtrennung des Nervs mittels Ultraschallschnitt
  • Chemische Sympathektomie: Zerstörung des Nervs durch Injektion chemischer Präparate (z.B. Phenol)

Die Methode der chemischen Zerstörung der Nervenfasern durch Einbringen von entsprechenden Präparaten wird heute kaum noch durchgeführt.

Pro & Contra ETS/ESB

Erfolgschancen:

Zahlreiche dokumentierte Patientenfälle belegen: bei über 98% der Eingriffe konnte das Hand- oder Fußschwitzen auf nahezu Null reduziert werden. [1] Die Besserung tritt unmittelbar ein, d.h. der Patient erwacht mit trockenden Händen/Füßen aus der Narkose. Dieser Folge der Nervdurchtrennung wurde schon im Jahre 1920 durch den Chirurgen A. Kotzareff beschrieben. Schon vorher hatte man am geöffneten Brustkorb operiert um die Ganglien zu durchtrennen (erstmals 1889 durch Dr. Alexander), damit verfolgte man jedoch andere Ziele.

Positiv zu erwähnen ist, dass sich Achsel- und Gesichtsschwitzen als „Nebeneffekt“ ebenfalls deutlich reduzieren können. Auch das Problem der Erythrophobie (ständiges Erröten) kann durch die ESB gestoppt werden. Viele Patienten berichten, sie könnten nach der OP gelassener mit Stress und Aufregung umgehen. Ohne dass es eine wissenschaftliche Erklärung hierfür gäbe, scheint sich die Herzfrequenz in Stresssituationen tatsächlich nicht mehr schlagartig zu erhöhen („Herzklopfen“) wie vor dem Eingriff, was auch die Minderung des Errötens erklärt. Da der Blutdruck in bestimmten Situation nicht mehr automatisch erhöht wird (Baroreflex), können die Hautgefäße nicht mehr schlagartig durchblutet werden. Dieser „beruhigende“ Effekt ist heute ausreichend belegt, weshalb die ESB auch in extremen Fällen von „Lampenfieber“ eingesetzt wird (USA). 

✍ Wichtig: Es muss erwähnt werden, dass eine große Anzahl Patienten eben diese Folgen der ETS als negativ empfanden, da ihnen die plötzlich „ausgebremste“ Herzfrequenz und die sozusagen erzwungene nervliche Ruhe ein großes Maß an Spontanität, Begeisterungsfähigkeit und emotionaler Erregung nimmt (siehe „Negative psychische Folgen“ unten).

ETS und ESB – langfristig betrachtet …

Obwohl beide Verfahren einen spontanen Heilerfolg versprechen, welcher auch wissenschaftlich belegt wurde, ist die Nachhaltigkeit des Eingriffs umstritten. Diverse Studien haben folgende post-operative Patientenaussagen dokumentiert:

  • 85% – 95% der Patienten betrachteten den Eingriff als vollen Erfolg [2] [3] [4] [5]
  • 60% – 90% der Patienten erlitten lt. weiterer Studien einen späteren Rückfall,
    d.h. das Schwitzen bzw. die Hyperhidrose begann von neuem [2] [3] [4] [5]
  • 2% – 19% der Patienten bereuten die Operation aufgrund negativer Folgen [2] [3] [4] [5]
  • bis zu 51% der Patienten sahen ihre Lebensqualität nach dem Eingriff eingeschränkt [2] [3] [4] [5]
  • nur 28,6% der Patienten einer koreanischen Studie waren mit dem Ergebnis der OP zufrieden [6]

Komplikationen und Nebenwirkungen:

ETS wird seit vielen Jahren eingesetzt und stetig in Hinblick auf die Risikominimierung weiterentwicklelt. Die derzeit praktizierte endoskopische ETS/ESB gilt als relativ sicheres Operationsverfahren, bei dem aufgrund der „Schlüssellochtechnik“ die typischen Risiken eines chirurgischen Eingriffs auf ein Minimum beschränkt sind. Die Blockade der Nervenfasern (Ganglien des Sympathikus) stellt jedoch grundsätzlich einen schwerwiegenden Eingriff in das vegetative Nervensystem dar und kann verschiedene Probleme mit sich bringen.

Mögliche unmittelbare Komplikationen der ETS/ESB:

  • Verletzung von benachbarten Organen wie Herz oder Lunge
  • Pneumothorax (Eindringen von Luft in den Brustraum), dadurch Zusammenfall der Lungenflügel
  • Folgeerkrankungen durch Verletzung der falschen Ganglien (siehe unten)
  • Haut und Weichteilschäden
  • Brustfellentzündung
  • Wund- oder Nahtkomplikationen (z.B. Blutungen)

Negative physische und neurophysiologische Folgen:

ETS/ESB beeinflussen nicht nur die Tätigkeit der ekkrinen Schweißdrüsen, deren Sekretproduktion durch die Unterbrechung des sympathischen Nervenstranges lokal gestoppt wird. Umfangreiche Studien belegen, dass auch andere Körperfunktionen negativ beeinträchtigt werden können:

  • ausgleichendes(kompensatorisches) Schwitzen
  • gustatorisches Schwitzen (Frey-Baillarger-Syndrom)
  • Horner-Syndrom durch Nervschädigung
  • Split-Body-Syndrom durch Schädigung falscher Ganglien
  • Harlequin-Syndrom durch Schädigung falscher Ganglien
  • Parry-Romberg-Syndrom durch Schädigung falscher Ganglien
  • Verlust der automatischen Thermoregulation des Körpers
  • drastische Absenkung der Herzfrequenz [7] [8]
  • dadurch z.T. Notwendigkeit eines Herzschrittmachers (Pacemaker) [9] [10] [11]
  • Absenkung des Schlagvolumens [12] [13]
  • negative Beeinflussung der Schilddrüsenfunktion
  • Baroreflex-Störung [14], dadurch Blutdruckkomplikationen
  • Absenkung des Lungenvolumens [13] [15]
  • Absenkung der Hauttemperatur (permanentes „Frösteln“)
  • veränderte Reaktion des Körpers auf sportliches Training [13] [16] [17]
  • Einschränkung der natürlichen fight-or-flight-Reaktion
  • Impotenz, Beeinträchtigungen des Sexuallebens
  • ultrastrukturelle Veränderungen der cerebralen Arterienwände durch Absterben sympathischer Neuronen [18]
  • völliger Verlust der elektrodermalen Aktivität (psychogalvanischer Reflex) [19]
  • Verminderung der heterogenen Sauerstoffsättigung in kleinen Venen der Großhirnrinde [20]
  • das Absterben sympathischer Neuronen ist eine der Ursachen der Mönckeberg-Sklerose [21]
  • langfristige Abschwächung des Herzmuskels (Myocardium) [22]
  • Austrocknung der Hände und Füße, Entstehung von Fissuren, Rissen und Ekzemen (Hyperkeratose)

Die wichtigsten physischen Komplikationen im Detail:

❏ Ausgleichendes Schwitzen / Kompensatorisches Schwitzen / Reflex-Schwitzen / Rebound
Durch die Blockade der Sympathikus-Stränge wird das Schwitzen an Händen (und/oder Füße) absolut unterbunden. Bei der Thorakoskopie wird zumeist der gesamte Körperbereich oberhalb einer gedachten horizontalen Linien in Höhe der Brustwarzen „trockengelegt“. Das heißt: Schwitzen ist an Brust, Schultern, Armen, Händen und am Kopf nicht mehr möglich (bei der Retroperitoneoskopie zusätzlich das Schwitzen an den Füßen). Damit wird die Möglichkeit zur Thermoregulation durch Schweißabsonderung/-verdunstung maßgeblich eingeschränkt. Aus wissenschaftlich bislang ungeklärten Gründen versucht der Körper offenbar, an anderen Stellen vermehrt zu schwitzen, um diese Einschränkung zu kompensieren. Man spricht deshalb von kompensatorischen Schwitzen. Typischerweise tritt der Schweiß am unteren Torso, besonders in der Leisten- und Schamgegend, außerdem an den Beinen und im Lenden- und Steißbereich auf. Aus ebenso ungeklärten Gründen kann dies drastische Ausmaße annehmen, weshalb der Patient subjektiv eine Verschlechterung seiner Lage erlebt, obgleich er durch die ESB vom Handschwitzen befreit wurde.

Neuere Studien legen nahe, dass es sich nicht nur um einen ausgleichenden Effekt handelt. Pioniere wie beispielsweise Dr. Chien-Chih Lin, der am RexSun Hospital of Chinese Taipei über 7000 ESB-Eingriffe vorgenommen hat, bevorzugen den Begriff Reflex-Schwitzen. Sie vermuten, dass eine degenerative Thermoregulation durch fehlerhafte Kommunikation zwischen den sypathischen Nervenstrukturen und dem Hypothalamus für das neu auftretende Schwitzen verantwortlich ist.

✍ Wichtig: Gemäß vorhandener Studien zum Thema kann davon ausgegangen werden, dass das kompensatorische Schwitzen bei ca. 25% bis 75% der ETS/ESB-Patienten auftritt. [23] [24]

Im Rahmen einer israelischen Studie am Rambam Medical Center and Faculty of Medicine, Technion-Israel Institute of Technology, Haifa [25] konnte durch Körpergewichtsanalyse mittels Feinwaage (vor und nach dem ETS-Eingriff) belegt werden, dass sich das Schwitzen der ETS-Patienten nach der OP um durchschnittlich 43% verstärkt hat. Da nach der Operation nur noch 67% der Hautfläche thermoregulatorisch aktiv ist – das obere Drittel des Körpers ist durch die ETS sozusagen „abgeschaltet“ – müssen sich die genannten 43% auf eine deutlich verkleinerte Fläche abbilden. In Zahlen ausgedrückt: an diesen zwei Dritteln des Körpers verstärkt sich das Schwitzen um 113% (67% x 213% = 143%), d.h. man schwitzt in diesen Regionen post-OP mehr als doppel so viel.

❏ Frey-Baillarger-Syndrom: Spontanes Schwitzen bei Essen, Trinken, Kauen
Bei diesem Syndrom wird starkes Schwitzen im Gesicht und am Hals durch geschmackliche Reize während des Essens (z.T. auch beim Trinken) ausgelöst. Man spricht deshalb von gustatorischem Schwitzen (auch Frey-Syndrom oder Baillarger-Syndrom genannt). Es tritt eher selten, aber nachweislich nach ETS/ESB-Operationen auf.

Die genaue Ursache für die regelrechten „Schweißattacken“ während des Essens ist bis heute ungeklärt. Offenbar lösen fehlgeleitete oder im Gehirn fehlinterpretierte Nervenimpulse eine schlagartige Aktivierung der ekkrinen Schweißdrüsen im Gesicht aus. Je nach Veranlagung hängt der Grad des Schwitzens von der Art des Geschmackseindruckes (süß, sauer, bitter usw.) ab. Wissenschaftler vermuten, dass einige Zeit nach Durchtrennung oder Zerstörung der sympathischen Ganglien deren Nervenfasern unkontrolliert nachwachsen. Dabei umschließen sie Kapillare und durchdringen umliegendes Gewebe. Wie es scheint, sind sie auch in der Lage mit Strängen der Geschmacksnerven zusammenzuwachsen. Dies könnte das gustatorische Schwitzen erklären.

❏ Horner-Syndrom: Nervenschädigung im Gesicht
Bei dieser, meist einseitigen Nervenerkrankung erschlaffen bestimmte Muskeln des Gesichts und der Augen. Dadurch treten die folgenden drei typischen Symptome (Trias) des Horner-Syndroms auf:

  • Ptosis: hängendes Augenlied (bekannt durch den Fernsehmoderator und Komödianten Karl Dall, dessen Ptosis allerdings angeboren ist).
  • Miosis: starre Pupillenverengung (Unfähigkeit der Pupilleberweiterung bei Dunkelheit)
  • Enophthalmus: Einsinken des Augenapfels in der Augenhöhle

❏ Split-Body-Syndrom
ETS/ESB kann in seltenen Fällen Corposcindosis auslösen. Bei diesem neuropathischen Leiden (engl. Split Body Syndrome) ist das sympathische Nervensystem, vermutlich durch Schädigung falscher Ganglien während des Eingriffs, in 2 Teile gespalten. Von einer gedachten horizontalen Linie in Höhe der Brustwarzen an aufwärts, empfindet der Betroffene seinen Körper als taub und kraftlos – oft drastisch als „tot“ beschrieben. Unterhalb dieser Linie herrscht dagegen ständige Hyperaktivität, welche sich durch „kribbeliges“ Missempfinden, andauernde Gänsehaut, Zuckungen, unruhige Beine (Restless-Legs-Sydrom) und starkes kompensatorisches Schwitzen äußert. [23]

❏ Harlequin-Syndrom
Das 1988 erstmals von dem australischen Neurologen J.W. Lance [25] beschriebene Harlequin-Symdrom (nicht zu verwechseln mit der Harlequin-Ichthyose!) tritt aus noch ungeklärten Gründen nach einer Beschädigung (Läsion) der thorakalen Ganglien auf. Solche mikroskopisch kleinen Verletzungen können auch während einer ETS/ESB-Operation entstehen. Im Gegensatz zum Split-Body-Syndrom treten bei dieser neurologischen Störung einseitiges Schwitzen und Erröten auf, welche entlang einer vertikalen Linie entlang des gesamten Körpers scharf abgegrenzt sind. Unter körperlicher Anstrengung rötet sich das Gesicht (sowie der Rumpf) einseitig so stark, dass der Betroffene wie ein traditionell geschminkter Harlekin wirkt. Die gerötete Körperhälfte ist dann ebenfalls stark vom Schwitzen (fokale Hyperhidrose) betroffen.

❏ Parry-Romberg-Syndrom
Das Parry-Romberg-Syndrom (med. Hemiatrophia faciei progressiva) ist eine seltene Erkrankung, bei der eine Atrophie einiger bis aller Gewebe einer Gesichtshälfte auftritt, teilweise von einer einseitigen Pigmentstörung begleitet. Nachdem bereits in der Vergangenheit Versuche an Tieren gezeigt hatten, dass Sympathektomien solche einseitigen Atrophien auslösen können, veröffentlichte der israelische Dermatologe Alon Scope 2004 eine Fallstudie, die erstmals das Auftreten des Parry-Romberg-Syndroms nach einer ETS beschrieb. [26]

Negative psychische Folgen:

  • Einschränkung der Lebensqualität durch Verlust starker Emotionen
  • Verlust von Angst, Schreck und Erregung
  • Verlust starker negativer Gefühle wie Wut, Hass etc.
  • Verlust von euphorischen Gefühlen wie Liebe, Lust, Freude etc.
  • Motivationsschwierigkeiten
  • Gleichgültigkeit
  • Depression
  • Lustlosigkeit (auch: sexuelle Dysfunktion)
  • Müdigkeit

Psychische Komplikationen im Detail:

Eine psychiatrische Studie an 163 finnischen ETS/ESB-Patienten [27] zeigte post-operativ einen signifikanten Verlust von Angst, Schreck und Erregung. ✍ Wichtig: Erregung, Schreck und Angst sind spontane, angeborene Reaktionen auf Sinneseindrücke. Sie sind für uns Menschen überlebenswichtig, da sie das blitzschnelle Erfassen und Einschätzen einer Situation möglich machen. Während uns die Erregung in „unklaren“ Situationen zur Vorsicht mahnt, indem Geist und Körper in Alarmbereitschaft versetzt werden, löst der Schreck physische Körperreflexe aus, die unserem Schutz dienen. In Schrecksituation wird automatisch der Puls erhöht, damit die Muskeln der Beine und Arme gut mit Blut versorgt sind, um für einen spontanen „Kampf“ oder die „Flucht“ (engl. fight or flight) gewappnet zu sein. Der Körper wird sozusagen in „Alarmbereitschaft“ versetzt. Angst ist die emotionale Konsequenz einer abgeschlossenen Situationsbewertung. Bedrohliche Dinge werden im Gehirn „sicherheitshalber“ bevorzugt verarbeitet und schnell abrufbar im Unterbewusstsein „gespeichert“. Die Einschränkung der zuvor genannten Emotionen können im alltäglichen Leben, beispielsweise im Straßenverkehr, Unfälle begünstigen, da der natürliche Gefahren-Instinkt – die sogenannte fight-or-flight-Reaktion – nicht mehr voll ausgebildet ist.

❏ Verlust aller starken Emotionen und Gefühle
Die an der Universität von Oulu, Finnland durchgeführte Studie hat darüberhinaus gezeigt, dass offenbar nicht nur die negative Emotionen, sondern ebenso positive durch die ETS/ESB-Operation „beschnitten“ wurden. Die befragten Patienten klagten, ihr gesamtes emotionales Empfinden – und damit eine unbeschwerte Lebensfreude – wäre seit der Operation wie „gekappt“ [28]. Der Studie zufolge erleben die Patienten langfristig psychologische Veränderungen, die besonders durch den Verlust von euphorischen Gefühlen und die Einschränkung der Lebensfreude/-qualität veursacht werden. Folgen können psycho-soziale Störungen, Depression und ein erhöhtes Suchtrisiko sein.

Internationale Meinungen und Bewertungen

Die Meinungen der internationalen Wissenschaft zu ETS und ESB könnten unterschiedlicher nicht sein. Obgleich die oben ausführlich beschriebenen Komplikationen dokumentiert sind, werden ESB und ETS in vielen Industrieländern, besonders in den USA und in Zentraleuropa, tagtäglich als Routineeingriff vorgenommen, da andererseits ein Heilerfolg nahezu garantiert ist.

Uneinigkeit besteht in wissenschaftlichen Kreise vorallem darüber, welche der beiden Aspekte – pro und contra ETS/ESB – besser durch akkurate Studien belegt sind. Beispielsweise werden bis heute 4 europäische Studien [29] aus 3 verschiedenen Ländern (Finnland, Niederlande, Schweden) zitiert, um die möglichen Erfolge einer ETS/ESB zu belegen. Aus wissenschaftlicher Sicht gelten diese Studien jedoch aufgrund von methodischen Mängeln bei der Erhebung sowie einer tendenziellen Befangenheit der Studienleiter als mangelhaft. Der australische Rat für National Health and Medical Research hat die o.g. Studien gemäß seiner Forschungskriterien (NHMRC levels of evidence and grades for recommendations for developers of guidelines) nur als Grad IV bewertet. Gemäß dieser Bewertung ist es nicht möglich, aus den genannten Studien [29] aussagekräftige Schlüsse zu ziehen.

Davon abgesehen bemängeln Kritiker, die Patienten seien im Vorfeld der Operation nicht ausreichend über die Risiken bzw. die Wahrscheinlichkeit möglicher Spätfolgen informiert worden. Ebenso kritisch wird das Informationsangebot im Internet betrachtet. Viele ETS/ESB-praktizierenden Chirurgen bieten auf Ihren Homepages Informationen zu der Operationstechnik an, die jedoch – verständlicherweise – den zu erwartenden Heilerfolg hervorheben, ohne auf Risiken näher einzugehen. Da sich heutzutage viele Hyperhidrosebetroffene vorab im Internet informieren, ist diese etwas einseitige Darstellung von ESB und ETS sehr kritisch zu sehen.

ETS/ESB in der internationalen Medizin

  • in Schweden verboten: ausgerechnet im „Geburtsland“ der transthorakalen Sympathektomie (vermutlich 1889 erste Sympathikus-Durchtrennung im offenen Brustkorb durch Dr. Alexander) und der ETS (ca. 1988 erste endoskopische transthorakale Sympathektomie durch Christer Drott, MD, PhD, Gunnar Göthberg, MD, PhD und Göran Claes, MD, PhD in Boråswurde das ETS/ESB-Operationsverfahren im Jahre 2003 verboten, nachdem sich über 300 schwedische ETS/ESB-Patienten mit post-operativen Störungen zur Selbsthilfeorganisation FFSO (schwed. Föreningen för Sympaticusopereradezusammengeschlossen hatten. Ihre Eingaben bei der schwedischen Regierung führten letztlich zu einem landesweiten Verbot der ETS-/ESB-Chrirugie.
  • in Pakistan verboten: Auch in Pakistan sind ETS/EBS-Oparationen verboten [leider sind uns, vermutlich aufgrund der sprachlichen Barrieren, keine Details oder Gründe bekannt. Anm. d. Red.]
  • keine ETS unter 20 Jahren: In Taiwan, wo jährlich ca. 1000 ETS/ESB-Operationen durchgeführt werden, ist es aufgrund der Risiken untersagt diese an Patienten unter 20 Jahren vorzunehmen. Andererseits ist Taiwans Experte für ESB-Eingriffe, Dr. Chien-Chi Lin eine internationale Anlaufstelle für Hyperhidrotiker.
  • Bedenken in Finnland: In einem 2006 von dem finnischen FinOHTA (Finnish Office for Health Technology Assessment) veröffentlichten Review weist die Behörde ausdrücklich auf die „indizierten“ (engl. indicated) Spätfolgen dieser Operationsform hin. [30]
  • unregulierte Chirurgie: in den meisten übrigen Ländern sind ETS und ESB bislang weitgehend oder gar nicht reguliert.
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  3. Choi BC, Lee YC, Sim SB (2003). „Treatment of palmar hyperhidrosis by endoscopic clipping of the upper part of the T4 sympathetic ganglion. Preliminary results“. Clin Auton Res. 13 (Suppl 1): I48–51. doi:10.1007/s10286-003-1112-4. PMID 14673674

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