Das tabuisierte Leiden: Bromhidrosis

Die Bromhidrosis (eingedeutscht auch Bromhidrose; von griech. βρῶμος (brômos) „Bocksgestank der Tiere“; ἱδρώς (hidrós) „Schweiß“) ist eine mit der Hyperhidrosis assoziierte Krankheit, bei der der vermehrt produzierte ekkrine Schweiß die Haut permanent durchfeuchtet und so die Vermehrung der hauttypischen Keimflora negativ beeinflusst. Mit dem Abbau des Keratins der Hornhaut durch die Keime (Bakterien) entstehen kurzkettige Fettsäuren und Amine und damit ein unangenehmer Körpergeruch, vor allem im Bereich der Leistenregion, Achselhöhlen und Füße. Auch die Kopfhaut kann einen unangenehmen, „schafsbockartigen“ Geruch aufweisen, der jedoch meist weniger stark wahrgenommen wird.

Der aus den „Duftschweißdrüsen“ stammende apokrine Schweiß oder Talg wird ebenfalls durch Bakterien in Fettsäurenund Ammoniakverstoffwechselt, was zu einem starken Geruch führt. Je nach Zusammensetzung riecht es muffig, ranzig oder säuerlich.

Obwohl die Bromhidrose schon seit langem eine von der WHO anerkannte Krankheit ist, handelt es sich um ein weitgehend unbekanntes, missverstandenes und tabuisiertes Leiden. Dies steht in auffälligem Widerspruch zu den von der WHO geschätzten Zahl der Betroffenen: Gut 1 % der Weltbevölkerung leidet an starkem bis krankhaftem Körpergeruch.

In heutiger Zeit gilt unangenehmer Körpergeruch als Tabu und als gesellschaftliches Stigma.

Das hier beschriebene Problem – in der Tat eine anerkannte Krankheit (ICD-10-Code der WHO: L75.0) – nennt sich medizinisch Bromhidrosis und meint den ständigen, durchdringenden Körpergeruch eines Menschens. Die Ursachen können sehr vielfältig sein, als sekundäre Auslöser kommen Ernährung, innere Krankheiten, Hormonstörungen oder die Psyche in Frage. Konkret entstehen tut der lästige Geruch jedoch vorwiegend auf der Haut, und zwar durch zersetzende Bakterien, welche die Bestandteile der Haut (der Hornschicht) und des Schweißes verstoffwechseln.

Unsere Haut ist naturgemäß mit einer wichtigen, ausbalancierten Bakterienflora besiedelt. Einige dieser Bakterien dienen dazu, das aus den ekkrinen Schweißdrüsen austretende Schweißsekret in verschiedene Bestandteile zu zersetzen, u.a. entstehen dabei Buttersäure und kurzkettige Fettmoleküle, diese nehmen wir als den typischen Schweißgeruch wahr. Die Hornhaut wird außerdem ständig durch den Schweiß durchfeuchtet, besonders wenn eine Hyperhidrosis (extremes Schwitzen) vorliegt. In diesem feuchtwarmen Milieu gedeihen Bakterien besonders gut. Diese Keime „zerlegen“ die Keratine der Hornschicht in kurzkettige Fettmoleküle und Amine. Aus verschiedenen Gründen kann es dazu kommen, dass die Bakterienflora dauerhaft aus dem Gleichgewicht gerät und sich die oben genannten Bakterien unkontrolliert vermehren. Ständiger und starker Körpergeruch ist die Folge.

Eine weitere Ursache für Körpergeruch ist eine Fehl- bzw. Überfunktion der apokrinen Schweißdrüsen, jene Art von Schweißdrüsen, die kein Schweißsekret, sondern Talg und Duftstoffe (in der Tierwelt als Pheromone bekannt) absondern. Während wir die Duftstoffe nur unterschwellig wahrnehmen, nehmen wir die von den Bakterien in ebenfalls in Fettsäuren und Ammoniak zersetzten Talge ebenfalls als typischen „Schweißgeruch“ wahr. Diese Drüsen werden von den selben Nerven gesteuert, welche auch das Schwitzen steuern. Psychischer Stress oder Angst machen sich dadurch auch über die apokrinen Drüsen bemerkbar. Nicht von ungefähr spricht der Volksmund davon, dass „man den Angstschweiß förmlich riechen konnte“.

Unverwechselbarer Code: Der menschliche Körpergeruch

Jeder Mensch besitzt einen individuell einzigartigen, genetisch festgelegten Körpergeruch, der nur bei eineiigen Zwillingen identisch ist. Für den körpereigenen Basisgeruch sind vor allem zerfallende Proteine des ekkrinen Schweißsekrets verantwortlich, der sogenannte MHC-Komplex, der genetisch „vorprogrammiert“ und bei jedem Menschen unterschiedlich ist. Je näher die genetische Verwandtschaft, desto ähnlicher ist der Körpergeruch [1]. Schon Neugeborene erkennen ihre Mutter an den Duftstoffen, die von Drüsen an den Brustwarzen abgegeben werden und können sie so von anderen Personen unterscheiden. Ähnliche Duftstoffe, die der Mensch höchstens unterschwellig, selten bewusst, wahrnehmen kann, sorgen beim Wechsel zur körperlichen Reife (Pubertät) für einen typischen Adoleszentengeruch, oft in Verbindung mit verstärktem Schwitzen. Duftstoffe, besonders das apokrine Androstenon, ein Steroid, lösen auch sexuelle Schlüsselreize beim Menschen aus. In einer Studie [2] gaben knapp 50 % der Befragten an, vom Körpergeruch des Partners sexuell stimuliert zu werden. Andererseits ist die Wahrnehmung des Androstenon meist sehr diffus, laut Studien können es nur etwa 70 % der Frauen und 63 % der Männer bewusst riechen. Höchst individuell ausgeprägt ist das subjektive Bewerten des Körpergeruchs: vielfach werden geringe Spuren des „Sexualduftstoffs“ als angenehm, größere Mengen jedoch als abstoßend empfunden. Objektive Grenzen können hierbei nicht bestimmt werden.

Überhaupt ist eine Klassifizierung des menschlichen Körpergeruchs kaum möglich, obgleich es hierfür eine eigene Maßeinheit, das Olf, gibt, welche allerdings nur für wissenschaftliche Zwecke verwendet wird. Einen starken bzw. extremen Körpergeruch wird die Mehrzahl der Mitmenschen subjektiv ganz unterschiedlich bewerten, so dass das Augenmerk in der medizinischen Diagnose einer Bromhidrosis eher auf Häufigkeit und Art des Geruchs gerichtet wird.

Ethnische Unterschiede bei Körpergerüchen

Interessant ist im Zusammenhang mit Körpergerüchen, dass die grundsätzlichen ethnischen Gruppen der Weltbevölkerung unterschiedlich stark betroffen sind. Die Neigung zu einem individuellen Körpergeruch kann man nur grob an der Färbung der Haut festmachen (sehr helle Haut (Weiß) über dunkle Haut (Braun) bis hin zu nahezu schwarzer Haut).
Laut international angelegten Studien verfügen die Menschen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen (Ethnien) keineswegs über die gleiche Anzahl von Schweißdrüsen. Darüberhinaus spielen auch der Lebensraum und die Ernährungsformen eine Rolle. Insofern ist neben den ethnischen auch von interkulturellen Unterschieden auszugehen. „Koreaner haben fast gar keine apokrinen Schweißdrüsen und also auch so gut wie keinen Körpergeruch; Chinesen haben wenige, Japaner mehr, Weiße noch mehr und Schwarze am meisten. Dazu hinterlassen manche Nahrungsgewohnheiten ihre Spuren im Schweiß (…) Europäer und Amerikaner galten Japanern als bata-kusai, ‚Butterstinker‘ (…)“ [3]

Studien haben auch gezeigt, dass jene Ethnien, die ursprünglich in heißen Gebieten leb(t)en, grundsätzlich weniger schwitzen. Offenbar ist dies ein evolutionärer Weg, um zu hohen Wasserverlust bei der urzeitlichen Jagd zu vermeiden. Laut Forschungsergebnisse muss diese Entwicklung bereits vor Verschiebung der Kontinentalplatten (z.B. Abspaltung des amerikanischen Kontinents von Asien) abgeschlossen gewesen sein, da sich beispielsweise indianische und asiatische Gruppen in punkto ihrer schwachen Ausprägung des Körpergeruchs sehr ähneln.

Körpergeruch: Psychische Belastungen

Psychische Faktoren bestimmen nicht nur, wie stark wir ekkrin Schwitzen (siehe „Ursachen des Schwitzens„), auch die Funktion der apokrinen Schweißdrüsen wird durch die Psyche beeinflusst. Emotionale Elemente wie Liebe, Lust, aber auch Angst, Scham oder Ekel können den Körpergeruch deutlich verstärken.

Stress, eine ungesunde Mischung aus Überbelastung, Unzufriedenheit, Zukunfts- und Versagensängsten, spielt ebenso eine große Rolle. Nicht umsonst spricht der Volksmund von „Angstschweiß“, den man förmlich riechen kann.

Der wechselseitige Einfluss von Psyche und Schweißdrüsenfunktion ist evolutionär bedingt. In Urzeiten geriet der Mensch oft plötzlich in extreme Gefahrensituationen, auf die der Körper blitzartig und automatisch mit dem bis heute erhaltenen Angstreflex reagierte. Innerhalb kürzester Zeit wurde alle Energie mobilisiert, welche für den Kampf oder die Flucht benötigt wurde. Auch heute kann der Angstreflex hilfreich sein, z. B. bei Unfällen. Im Alltag wird er dagegen eher als störend empfunden. Besonders tückisch wirken sich latente Ängste (z. B. Existenzangst) aus, die nur unterschwellig wirken. Häufiges Schwitzen, Körpergeruch, Abgeschlagenheit oder Schwindel sind die typische Folge (z. T. auch Teil des Burn-Out-Syndroms). Depressive Episoden haben oft vergleichbare Folgen und können sich ebenso durch Schweißausbrüche und schlechten Geruch bemerkbar machen.

Was der Angstreflex auslöst: In gefährlichen oder aufregenden Situationen wird ein Teil der Körperkontrolle vom Nervensystem übernommen, wobei sich auch die Körperchemie ändert. Steigender Blutzucker, Cortisonausschüttung und Adrenalinschub sind verantwortlich für eine erhöhte Herzfrequenz. Daraus resultiert, dass mehr Blut in die Muskeln gepumpt wird, nicht aber in die Haut. Dies hat zu Folge, dass die Haut blass und kühl wird, auf der Schweißperlen schlechter verdunsten und deutlich sichtbar bleiben. In Folge dieser Körperchemieumstellung werden die Muskeln mit mehr als eigentlich benötigter Energie versorgt. Im Falle der Nichtnutzung wird die überschüssige Energie in Form von Zittern innerhalb der Muskeln wieder abgebaut.

Die erhöhte Schweißproduktion und der körperchemische Umschwung verursachen gemeinsam als Folge starken Körpergeruch.

Stress vermeiden – Anspannung lösen – ohne Angst leben

Angstreflexe sind affektiv und verursachen nur kurzzeitige Veränderungen der körperlichen Verfassung. Bei fortdauernder Stressbelastung dagegen können Schweißproduktion und Körpergeruch zu einer chronischen Belastung werden. In der Bromhidrosis-Therapie kann dies ein wichtiger Schlüssel zum Heilungserfolg sein. Es gilt, direkte oder verborgene psychische Belastungen rechtzeitig zu erkennen und zu bewerten. Dies bietet die Chance, einen Lebenswandel für ein stressfreies, oder zumindestens unbeschwerteres Leben ohne Ängste einzuleiten. Eine psychotherapeutische Betreuung ist in den meisten Fällen zu empfehlen. Aber auch „rezeptfreie“ Entspannungsmethoden wie YogaAutogenes Training oder Progressive Muskelrelaxation (PMR nach Jacobson) erzielen gute Erfolge.

[1] Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Koerpergeruch

[2] Ebberfeld I, Universität Bremen

[3] Dieter E. Zimmer: Riechen. Ein Wissenschaftsreport, in: ZEIT-Magazin 1987